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Recht / Zivilrecht 
Freitag, 02.02.2024

Festhalten am Studienvertrag wegen gravierender Pflichtverletzung unzumutbar - Fristlose Kündigung rechtmäßig

Weil ein Drittsemester-Student in seiner Wohnung eine Feier mit viel Alkohol für Erstsemester veranstaltete, hat eine private Hochschule den Studienvertrag des Drittsemester-Studenten gekündigt. Das Landgericht Koblenz entschied, dass die fristlose Kündigung rechtmäßig ist (Az. 14 O 656/23).

Der Antragsteller studierte seit drei Semestern an einer privaten Hochschule (Antragsgegnerin). Er wendet sich gegen die von der Hochschule ausgesprochene fristlose Kündigung seines Studienvertrags. Traditionell findet an der Hochschule zum Start des Wintersemesters eine Einführungswoche statt, in der Studierende aus höheren Semestern (sog. Paten) die neuen Erstsemester (sog. Patenkinder) in einer von der Hochschule vorab eingeteilten „Patengruppe“ betreuen und sie in das Hochschulleben einführen. Aufgrund in der Vergangenheit stattgefundenen Trinkgelage anlässlich des Semesterstarts teilte die Hochschule per E-Mail allen Studierenden mit, dass dies von Seiten der Hochschule unerwünscht sei und mit entsprechenden Konsequenzen bis zur Kündigung des Studienvertrags geahndet werde. Der Antragsteller übernahm zum Start des Wintersemesters 2023/24 gemeinsam mit anderen Drittsemestern eine Patengruppe, bestehend aus fünf Erstsemester-Studenten. In der Einführungswoche luden die „Paten“ die neuen Studierenden zu einer privaten Feier ein. Der Abend endete u. a. damit, dass ein Erstsemester im Bad völlig betrunken lag und ein anderer erheblich alkoholisiert von einem Krankentransportwagen in eine Klinik gebracht werden musste. Die Hochschule kündigte dem Antragsteller fristlos und sprach ein Hausverbot aus, da er als Mitglied der „Patengruppe“ die ihm zugewiesenen Erstsemester massiv unter psychischen Druck gesetzt habe, Alkohol zu konsumieren. Der Antragsteller hat Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt mit dem Ziel, an der Hochschule weiter zu studieren.

Das Gericht wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung jedoch zurück. Die von der Hochschule ausgesprochene Kündigung sei rechtmäßig. Der Antragsteller habe gegen seine Pflichten aus dem Studienvertrag, alles zu unterlassen, was geeignet sei, das Ansehen der Hochschule zu beeinträchtigen, schuldhaft verstoßen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen sei der Hochschule eine Fortsetzung des Studienvertrages nicht mehr zumutbar. Dabei sei berücksichtigt worden, dass es grundsätzlich nicht zur (einschneidenden Rechtsfolge der) Kündigung des Studienvertrags führen muss, wenn sich erwachsene Studierende, zumal in der Privatwohnung, zusammen betrinken, auch wenn dies – wie hier geschehen – eskaliert sei. Es lägen hier aber deutliche und besondere Umstände vor, die in diesem Einzelfall eine gravierende Pflichtverletzung des Antragstellers gegenüber der Hochschule begründen und die ihr das Festhalten am Studienvertrag unzumutbar machen: Der Antragsteller veranstaltete die Feier zwar in seiner Privatwohnung, allerdings in seiner Funktion als „Pate“ mit den ihm von Seiten der Hochschule zugeteilten „Patenkindern“. Er hatte damit eine ihm von der Hochschule eingeräumte offizielle Position inne, die das Bild der Hochschule gegenüber neuen Studierenden präge und mitbestimme. Im Falle eines Krankenwageneinsatzes wegen eines stark betrunkenen Erstsemesters sei zudem das Bild der Hochschule in der Öffentlichkeit betroffen und damit offensichtlich geeignet, deren öffentliches Ansehen zu beeinträchtigen. Außerdem hatte die Hochschule wegen ähnlicher Eskalationen in der Vergangenheit alle Studierenden ausdrücklich gewarnt und mit entsprechenden Konsequenzen bis zur fristlosen Kündigung des Studienvertrags gedroht. Der Antragsteller war also vorgewarnt und könne sich nicht auf ein übliches und stillschweigend geduldetes Verhalten gegenüber Neuankömmlingen berufen, das bekanntermaßen in Burschenschaften in früheren Zeiten gang und gäbe war. Insbesondere unter diesem Aspekt erscheine die fristlose Kündigung des Studienvertrages auch im Ergebnis nicht unverhältnismäßig.

Kern der Vorwerfbarkeit sei, dass der Antragsteller gegenüber den ihm von der Hochschule zugewiesenen Erstsemester-Studenten seine sozial überlegene Position als Drittsemester und seine offizielle Funktion als Pate genutzt habe, um im Rahmen eines Treffens neue Studierende massiv unter psychischen Druck zu setzen, Alkohol zu konsumieren, um kein Außenseiter zu sein und Teil der Hochschulgemeinschaft zu werden. Die Drohung mit sozialer Isolation von Seiten eines erfahreneren Studenten, zumal in einer kleinen Hochschule, sei geeignet, einen neuen Studenten einzuschüchtern und in eine Zwangslage zu versetzen. Insofern sei nachvollziehbar, dass die Erstsemester nicht einfach aus der Wohnung der ihnen von ihrer Universität zugeteilten „Paten“ weggegangen seien.

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