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Recht / Zivilrecht 
Dienstag, 14.11.2023

Kalkulationsirrtum: Reiseveranstalterin kann Reisevertrag nicht anfechten - Entschädigungsanspruch des Kunden

Eine Reiseveranstalterin ist u. U. an einen zu günstig berechneten Reisepreis gebunden. Wenn die Reise zu dem korrigierten Preis nicht durchgeführt wird, kann der Kunde Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in angemessener Höhe verlangen. So entschied das Amtsgericht München (Az. 113 C 13080/22).

Der Kläger hatte bei der beklagten Reiseveranstalterin über deren Internetportal eine Flugpauschalreise nach Punta Cana in der Dominikanischen Republik über Weihnachten und Silvester 2022 einschließlich Hotelunterkunft und All-Inclusive-Verpflegung zu einem Reisepreis in Höhe von 2.878 Euro gebucht. Wenige Tage nach der Buchung erklärte die Beklagte per E-Mail die Anfechtung des Reisevertrages aufgrund eines nicht näher beschriebenen „Eingabe/Tippfehlers“ und einem sich daraus ergebenden Preisunterschied. Die Beklagte bot dem Kläger an, die Reise zu einem Gesamtpreis von 6.260 Euro wahrzunehmen, was dieser ablehnte. Aufgrund der nicht durchgeführten Reise forderte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe der Hälfte des ursprünglich gebuchten Reisepreises.

Das Gericht gab dem Kläger teilweise Recht. Ein Anfechtungsgrund, insbesondere ein Erklärungsirrtum lag nicht vor. Sowohl Willensäußerung als auch Willensbildung der Beklagten waren fehlerfrei, es lag lediglich ein unbeachtlicher Kalkulationsirrtum vor. Der Irrtum erfolgte hier nicht bei Abgabe der Willenserklärung der Beklagten gegenüber dem Kläger, sondern es handelte sich um einen Irrtum in der Erklärungsvorbereitung, nämlich bei der Berechnung des Gesamtreisepreises. Die Beklagte hatte – aufgrund der von der Firma M. falsch eingegebenen und anschließend falsch übermittelten Daten – ihren Willen bezüglich des Gesamtpreises falsch gebildet, da eine Kalkulationsgrundlage fehlerhaft war. Wie vom Zeugen R. glaubhaft ausgesagt, übermittelt die Firma M. die Einkaufspreise pro Person in US-Dollar an das System der Beklagten. Dort wurden die Preise vom System in Euro umgerechnet und anschließend mit der Verkaufsmarge der Beklagten versehen. Die so gefundenen Verkaufspreise wurden dann vom System der Beklagten an C. (das von der Beklagten betriebene Buchungsportal) weiter übermittelt und verarbeitet. Entsprechend des vom Kläger bei Buchung angegebenen Zeitraums und der ausgewählten Zimmerkategorie, wurde dann der Verkaufspreis vom System berechnet und dem Kunden angezeigt. Die von der Firma M. übermittelten Daten dienten der Beklagten daher lediglich als Kalkulationsgrundlage für die Berechnung des Gesamtreisepreises. Der Irrtum entstand schon nicht bei der Beklagten, sondern bei einem Mitarbeiter der Firma M. Der Irrtum betraf auch nur einen Rechnungsfaktor, aus dem der Reisepreis später vom System der Beklagten gebildet wurde. Bei Buchung wurde dann entsprechend den Eingaben des Klägers bzgl. Zimmerkategorie und Reisezeitraum aus den für verschiedene Reisezeiträume festgesetzten Einzelpreisen der Gesamtreisepreis vom System errechnet. Diese Konfiguration erfolgte so wie vom System vorgesehen. Der dem Kläger gegenüber angegebene Reisepreis entsprach den Konfigurationsvorgaben der Beklagten. Nachdem der Reisende keinen Einblick in die Kalkulation des Reisepreises hatte, lag hier nur ein interner Kalkulationsirrtum vor, der als Motivirrtum unbeachtlich war. Ein Anfechtungsgrund stand der Beklagten daher nicht zu.

Der Kläger kann nach §§ 651i Abs. 2 Nr. 7, 651n Abs. 2 BGB Entschädigung in Geld verlangen. Der Anspruch bestehe jedoch nur in der Höhe von 719,50 Euro. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs aus § 651n Abs. 2 BGB richte sich nach einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliches Kriterium könne dabei jedenfalls der tatsächlich vereinbarte Reisepreis sein, da dieser regelmäßig zeige, wieviel Geld der mit der geplanten Reise verbundene immaterielle Gewinn dem Reisenden wert sei; hier 2.878 Euro. Jedoch seien auch sonstige Umstände zu berücksichtigen. Hier erfolgte die Mitteilung der Beklagten, die Reise nicht zum gebuchten Preis durchführen zu wollen, nur wenige Tage nach der Buchung und mehr als halbes Jahr vor dem geplanten Reiseantritt. Der Kläger hätte somit noch nicht lange Zeit mit Vorfreude und Planung auf die gebuchte Reise verbringen können. Er hätte auch noch ausreichend Zeit gehabt, sich um eine Alternativreise für den geplanten Weihnachtsurlaub zu bemühen. Das Gericht hielt daher eine Entschädigung in Höhe von 25 % des Urlaubspreises für angemessen und ausreichend.

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